Ein Montag im April

Balthasar Glättli in VierzigTageBuch / 13. April 2020
Ein Montag im April
Zum ersten Mal keine Zeitung. Seit dem Corona-Lockdown. Ostermontag. Und sonst alles wie gehabt. Die Zerrissenheit zwischen dem Wunsch, das Besondere dieser Wende in Gedanken zu fassen – und der brutalen Realität, dass Zeit fürs Nachdenken viel weniger vorhanden ist als je zuvor. Drängendes noch immer ungelöst. Es schwebt bloß die Frage im Raum, an Ostern liegt das nahe, wenn man sich mental für einen Beitrag an ein VierzigTageBuch vorbereitet, was aus dieser Krise denn aufersteht. 

Stattdessen Kurzfutter. Schreiben. Lesen. Denken.

Droht in der Schweiz wieder eine Dürre wie vor zwei Jahren? 
 Erste Anzeichen lassen es befürchten. https://www.tagesanzeiger.ch/der-schweiz-droht-eine-duerre-wie-vor-zwei-jahren-­737420585338 #Klimakrise 
@bglaettli 7:57 AM - Apr 13, 2020.

Der Tag ist schön und warm.

Die Situation auf den griechischen Inseln ist wegen dem 
 #coronavirus noch dramatischer. Unterzeichne hier den gemeinsamen Appell von über 110 Organisationen: https://evakuieren-jetzt.ch #evakuierenJETZT #evacuerMAINTENANT 
 #evacuaraORA
@bglaettli 8:43 AM - Apr 13, 2020. 

Der Tag ist schön, ein Ausflug würde sich anbieten. Stattdessen quert die zweijährige Tochter im Trottinett die Wohnung. Schwungvoll. Hin und her. Schoggi! Nur eins! Schoggi! Nur eins!
Der geübte Blick aufs Handy, ich lese »Corona-Tagebuch, mir graut vor dir« – eine Abrechnung von Sandro Benini mit Corona-Selbstzeugnissen von Schriftstellenden. Immerhin bin ich kein Schriftsteller, denke ich mir, das Versprechen dieses Beitrags im Hinterkopf, ich schreibe keine Literatur, also auch keine schlechte. 
Der Tag ist schön, ein Ausflug würde sich anbieten. Chum da! Papi, chum da!!
Die Mailbox quillt über wie letztmals nach den Nationalen Wahlen und vor den Bundesratswahlen im Dezember. Mit dem einzigen Unterschied, dass da nicht gutgemeinte Ratschläge von Besserwissenden, Herablassungen von politischen GegnerInnen, Ermunterungen von Wählerinnen und Wählern gemailt werden, sondern verzweifelte Rufe von Menschen, die möglicherweise für Jahre wenig um die Politik gegeben haben. Die auch froh darüber waren, dass dies in der Schweiz so möglich ist, sich nicht oder nur ganz selektiv politisch kümmern zu müssen. Menschen auch ohne Stimmrecht. Menschen, die ihren Alltag mit Arbeiten verbracht haben, damit es irgendwie reicht. Selbständig waren, ein kleines KMU gründeten. Der Coiffeur um die Ecke. Das kleine Restaurant. Das Tanzstudio. Und die nun merken: Wenn sie ehrlich sind, nützen ihnen die raschen Corona-Kredite nicht viel zum Bezahlen ihrer Miete, denn die Kredite werden sie nie abbezahlen können mit dem Gewinn, der schon jetzt kaum da ist. Auch die Corona-Frisur wird nach dem Lockdown nur einmal geschnitten. Nicht zweimal. Oder dreimal. 
Der Tag ist schön. Je--etzt!!!
Nein, nun muss ich noch telefonieren. Die Allianz ist wieder instabil geworden, morgen droht wohl kein guter Tag in der Wirtschaftskommission zu werden. Bleiben die kleinen Geschäftsmie­tenden weiterhin auf den Mieten ihrer unbenutzbaren Lädeli sitzen? Behördlich geschlossen, aber der Bundesrat appelliert an vernünftige Lösungen. Redet miteinander. Als hätte er nichts damit zu tun. Stattdessen diskutiert er Millionen für die Flugbranche. Ohne klimapolitische Bedingungen. Der ganz normale Wahnsinn.
Endlich Zeit. Sie reißt Blumen ab. Chrottepösche, und kleine Ankenblumen. Einzeln. Vom Vorplatzrasen der Börse. Immer freihalten! Da sind wir draußen, allein, in der Feuerwehreinfahrt. 
Wenn ich mich nicht länger wehre gegen die Unmöglichkeit, mich wehren zu können. Da werden solche Momente zu kleinen Haikus. 
Die leere Straße.
Gib mir die Hand, Papada!
Heimzu. Bett. Nuggi.

Balthasar Glättli, Zürich, Schweiz
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